Rechtsanwalt Georg Mörchel
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Internetapotheke in Deutschland geschlossen
Der Betrieb der niederländischen Internetapotheke Doc.Morris.com verstößt in Deutschland gegen das Arzneimittelgesetz (AMG) und das Heilmittelwerbegesetz (HWG). Da diese Vorschriften sämtlich dem Schutz der öffentlichen Gesundheit zu dienen bestimmt sind und damit ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut betreffen, begründet deren Verletzung ohne weiteres zugleich einen Verstoß gegen die guten Sitten des Wettbewerbs, so daß seine Unterlassung verlangt werden kann. Mit dieser Begründung hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main am 09.11.00 im Wege der einstweiligen Verfügung durch zwei Urteile den Betreibern dieser Internetapotheke bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu DM 500.000 oder Ordnungshaft aufgegeben, den Versand von Medikamenten nach Deutschland zu unterlassen, auf Antrag einmal eines deutschen Pharmaunternehmens (Az. 2-03 O 365/00), zum andern des Deutschen Apothekerverbandes (Az. 2-03 O 366/00).

Bei der Beklagten handelt es sich um eine niederländische Apotheke, die neben dem Apothekengeschäft vor Ort in K. seit dem Juni 2000 auch einen Versandhandel mit Arzneimitteln via Internet betreibt und zwar unter der Internetadresse: http://www.0800 Doc Morris.com. Seitdem können Kunden sich unter der genannten Adresse über Arzneimittel informieren, Fragen an Pharmazeuten stellen und sowohl verschreibungspflichtige als auch frei verkäufliche Arzneimittel bestellen. Die Frage der Zulassung der Arzneimittel richtet sich hierbei nach niederländischem Recht. Das Angebot im Internet ist für deutsche Kunden auch in deutscher Sprache abrufbar, versandt werden die Medikamente aufgrund von Einzelbestellungen der jeweiligen Kunden, wobei immer nur die für den persönlichen Bedarf üblichen Mengen bezogen werden dürfen. Um ein verschreibungspflichtiges Medikament zu erhalten, muß der Kunde vorher ein entsprechendes ärztliches Attest einsenden. Die angebotene individuelle Beratung erfolgt fernmündlich oder per E-Mail, wobei zur Beratung approbierte Apotheker, eine Ärztin und pharmazeutisch technische Assistenten zur Verfügung stehen. Auf der Homepage der Beklagten wird der Versand von Medikamenten (Originalpräparaten) zu günstigen Preisen sowie zuverlässige Beratung zu Gesundheitsfragen angepriesen.

Das Gericht hat den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung für zulässig angesehen, weil es auf der Grundlage des europäischen und des deutschen Rechts zuständig und eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) – wie von der Beklagten gewünscht – wegen der Dringlichkeit einer raschen, wenn auch vorläufigen Entscheidung nicht geboten sei. Auch die üblichen Zulässigkeitsvoraussetzungen des einstweiligen Verfügungsverfahrens wurden bejaht.


Begründung
Zur Begründetheit enthalten die Urteile – z.T. sinngemäß – die folgenden Ausführungen:


Der gewerbliche Versandhandel der Beklagten via Internet ist mit den Bestimmungen des AMG nicht vereinbar.


Danach dürfen apothekenpflichtige Medikamente berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur in Apotheken und nicht im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht werden. Hiergegen hat die Beklagte zunächst eindeutig verstoßen, denn sie hat Präparate, bei denen es sich unstreitig um apothekenpflichtige Arzneimittel handelt, im Wege des Versandes an deutsche Endverbraucher liefern lassen und damit in den Geltungsbereich des AMG in Verkehr gebracht. Unstreitig richtet sich das Angebot der Beklagten auch an deutsche Kunden, wie sich im übrigen bereits aus der Gestaltung der Internethomepage der Beklagten ergibt, die den deutschen Benutzern das Aufrufen eines deutschsprachigen Bestellformulars ermöglicht. Nicht nur bei dem Versand per Post, sondern auch bei der Zustellung per Boten liegt ein Inverkehrbringen in den Geltungsbereich des AMG vor. ... Da die Beklagte die Arzneimittel versendet, ohne daß diese zuvor in den Räumlichkeiten der Apotheke angeboten und gekauft wurden, liegt ein Inverkehrbringen außerhalb der Apotheke vor. Schließlich bringt die Beklagte die Medikamente auch im Wege des Versandes in Verkehr, denn die Arzneimittel werden nicht unmittelbar in den Apothekenräumen an den Endverbraucher ausgehändigt, sondern auf Veranlassung des Verkäufers zunächst an einen anderen Ort als an den Ort der Verkaufsniederlassung verbracht, von wo aus sie dann erst dem Endverbraucher übergeben werden.


Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf eine Ausnahmevorschrift im AMG berufen, denn diese ist vorliegend nicht einschlägig, ihre Voraussetzungen werden von der Beklagten nicht erfüllt: Danach dürfen zulassungspflichtige Arzneimittel von deutschen Endverbrauchern aus anderen Mitgliedsstaaten der EU bezogen werden, wenn diese Arzneimittel im Herkunftsland in Verkehr gebracht werden dürfen und ohne gewerbs- oder berufsmäßige Vermittlung in einer dem üblichen persönlichen Bedarf entsprechenden Menge an den Verbraucher abgegeben werden. Im vorliegenden Fall trifft es zwar zu, daß die von der Beklagten vertriebenen Arzneimittel sämtlich in den Niederlanden zugelassen sind und damit unstreitig im Herkunftsland rechtmäßigerweise in Verkehr gebracht werden dürfen. ... Hingegen fehlt es an dem Tatbestandsmerkmal "ohne berufs- oder gewerbsmäßige Vermittlung". Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß der von der Internetapotheke der Beklagten betriebene Versandhandel mit Arzneimitteln berufs- oder gewerbsmäßig erfolgt, was beispielsweise bei dem gelegentlichen Versand eines Medikamentes aufgrund einer Einzelbestellung eines ausländischen Privatkunden eines Mitgliedsstaates der EU nicht der Fall ist. ... Der gesamte Internetauftritt der Beklagten ist darauf ausgerichtet, gerade durch den Versand von besonders günstig angebotenen Arzneimitteln nach ganz Europa Gewinne zu erzielen. Über ihre Homepage im Internet, die sich gerade auch an deutsche Kunden richtet, bringt die Beklagte den Nutzern und potentiellen Kunden ihr gesamtes Sortiment an Arzneimitteln nebst Preisinformationen zur Kenntnis, um diese dazu zu bewegen, bei ihr in den Niederlanden Medikamente zu bestellen. Hierin ist eine Vermittlungstätigkeit der Beklagten zu sehen, so daß die Apotheke, die die Arzneimittel abgibt und der gewerbsmäßige Vermittler, der den Kontakt zum Kunden herstellt, ein und dieselbe Stelle ist.

Würde man den gewerblichen Versandhandel als von der Ausnahmevorschrift gedeckt ansehen, wäre kein Ausnahmetatbestand mehr gegeben, sondern der Versandhandel mit Arzneimitteln aus Apotheken im europäischen Ausland nach Deutschland wäre grundsätzlich erlaubt, während lediglich den deutschen Apotheken der Versand von Arzneimitteln verboten bliebe. Dies würde zu der nicht akzeptablen Konsequenz der Inländerdiskriminierung führen. Darüber hinaus erfolgte die Kodifikation des AMG in Umsetzung der vom EuGH in zwei Entscheidungen aufgestellten Grundsätze. Es ist nicht ersichtlich, daß der Gesetzgeber die Absicht hatte, über die in den vorgenannten Urteilen entschiedenen Fallgestaltungen hinaus einen gewerblichen Versandhandel mit Arzneimitteln zu erlauben. Schließlich zeigt auch die Regelung des HWG, wonach für die Einzeleinfuhr von Medikamenten nach der Ausnahmevorschrift des AMG nicht geworben werden darf, daß die Einfuhr von Arzneimitteln aus Apotheken im europäischen Ausland die Ausnahme bleiben soll, unter anderem, um eine Umgehung des nationalen Zulassungssystems für Arzneimittel zu verhindern.

Diese von der Kammer vertretene Auslegung der Passage "ohne berufs- oder gewerbsmäßige Vermittlung" dahingehend, daß ein gewerblicher Versandhandel, wie ihn die Beklagte betreibt, nicht von dieser Vorschrift erfaßt wird, ist auch mit den einschlägigen europarechtlichen Regelungen vereinbar.

aa) Ein Verstoß gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs kann in dem Verbot des gewerblichen Versandhandels mit Arzneimitteln nicht gesehen werden. ... Der EuGH hat den Anwendungsbereich des EG-Vertrags (EGV) dahingehend eingeschränkt, daß nationale Vorschriften, die bestimmte Verkaufsmodalitäten in dem betroffenen Mitgliedsstaat regeln, nicht als Maßnahme gleicher Wirkung einzuordnen sind, wenn sie für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Ausland ausüben, und sofern der Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedsstaaten rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise berührt werden. ... Ob dennoch ein Verstoß gegen den EG-Vertrag vorliegt, kann dahinstehen, weil ein möglicher Verstoß jedenfalls auch durch den EGV gerechtfertigt wäre.

Der EGV steht Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverboten oder -beschränkungen nicht entgegen, die unter anderem auch zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt sind. ... Auf dem hier interessierenden Gebiet der Herstellung und des Inverkehrbringens von Arzneimittelspezialitäten ist diese Ausnahme noch anwendbar, da eine Harmonisierung der nationalen Regelungen in diesem Bereich unstreitig noch nicht vollständig erreicht ist. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH nehmen die Gesundheit und das Leben von Menschen unter den im EGV geschützten Gütern und Interessen den ersten Rang ein und es ist Sache der Mitgliedsstaaten, in den durch den Vertrag gesetzten Grenzen zu bestimmen, in welchem Umfang sie deren Schutz gewährleisten wollen. Jedoch ist eine nationale Regelung oder Praxis, die eine die Einfuhr pharmazeutischer Erzeugnisse beschränkende Wirkung hat oder haben kann, mit dem Vertrag nur vereinbar, soweit sie für einen wirksamen Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen notwendig ist.

Durch das deutsche Versandhandelsverbot für Arzneimittel soll in erster Linie sichergestellt werden, daß dem Endverbraucher beim Kauf eines Arzneimittels die Möglichkeit einer persönlichen und qualifizierten Beratung durch einen Apotheker zur Verfügung steht. Hierfür stellt das Versandhandelsverbot eine geeignete Maßnahme dar. Beim Versand von Arzneimitteln aus Apotheken kann der Schutz der menschlichen Gesundheit nicht ebenso gut gewährleistet werden, wie bei der Übergabe des Arzneimittels in den Apothekenbetriebsräumen. So ist zunächst die persönliche Beratung, die ein Patient in der Apotheke vor Ort regelmäßig erfährt, von anderer Qualität als die Beratung, die die Beklagte im Rahmen ihres Internethandels anbietet. Zum einen kann ein Apotheker allein schon aus dem Alter, der Körperstatur und sonstiger äußerer Merkmale des vor ihm stehenden Kunden Rückschlüsse auf die Geeignetheit und Verträglichkeit bestimmter Medikamente gerade für diesen Kunden ziehen, was bei einer telefonischen oder schriftlichen Beratung naturgemäß nicht der Fall ist. Auch ist es im Rahmen der persönlichen Beratung für den Kunden möglich, sofort Rückfragen zu stellen, während ein Kunde der Internetapotheke dazu nach Erhalt des Medikamentes erst unter der angegebenen Telefonnummer bei der Beklagten anrufen bzw. eine E-mail schicken muß. Dabei gerät er leicht in Versuchung, etwaige Fragen auf sich beruhen zu lassen und das Medikament einzunehmen, ohne mögliche Bedenken vorher abgeklärt zu haben. Auch ist ein Medikamentenmißbrauch bei der Bestellung von Arzneimitteln via Internet leichter möglich als beim Kauf des Medikamentes in den Apothekenbetriebsräumen. Zwar gibt die Beklagte nach ihren eigenen Angaben die Medikamente nur in solchen Mengen ab, die dem üblichen persönlichen Bedarf eines Patienten entsprechen. Jedoch kann dies einen Patienten nicht daran hindern, das Medikament in zahlreichen kleinen Einzelportionen zu beziehen, um dann insgesamt eine erhebliche Menge anzusammeln. Dies ist zwar in eingeschränktem Maße auch beim persönlichen Kauf in einer Apotheke möglich, gleichwohl dürfte die Hemmschwelle hier noch größer sein, als bei der Bestellung via Versandhandel. Hinzu kommt, daß bei dem Versand von Arzneimitteln, die die Internetapotheke aus Kostengründen häufig aus dem Ausland bezieht, nicht gewährleistet ist, daß der deutsche Kunde zu dem von ihm bestellten Medikament einen Beipackzettel erhält, der in deutscher Sprache die notwendigen Informationen im Hinblick auf Dosierung, Wirkungsweise und Nebenwirkungen des Medikamentes enthält. Dies wiederum erhöht die Gefahr des Arzneimittelfehlgebrauches jedenfalls dann, wenn der Patient nicht von sich aus über die von der Beklagten angebotene Service-Nummer die notwendigen Informationen nachsucht. Auch im Hinblick auf die Durchführung der notwendigen Kontrollen betreffend die Haltbarkeit, Lagerungsfähigkeit und sonstigen Qualitätsmerkmale der Arzneimittel birgt der Versandhandel Risiken in sich, die beim Verkauf in den Apothekenräumen nicht auftreten. Schließlich steht einem wirksamen Gesundheitsschutz auch die Tatsache entgegen, daß beim Versand von Medikamenten aus dem EU-Ausland teilweise in Deutschland nicht zugelassene Medikamente eingeführt werden. Nicht umsonst erlaubt das AMG nur ganz ausnahmsweise die Einfuhr von in Deutschland nicht zugelassenen Medikamenten durch Apotheken, sofern sie auf Einzelbestellung von Patienten oder Ärzten beruhen. Letztlich hat gerade vorliegend der Testkauf des Mitarbeiters der Klägerin, dem die Beklagte von sieben bestellten Arzneimitteln nur zwei wie bestellt anlieferte, während sie die übrigen Arzneimittel eigenmächtig durch andere Präparate ersetzte, gezeigt, welche auch für die Gesundheit der Kunden gefährlichen Praktiken beim Internethandel mit Arzneimitteln auftreten können.

Bei der vorstehend geschilderten Sachlage ist für die Kammer nicht ersichtlich, wie unter den derzeit gegebenen rechtlichen Voraussetzungen der Schutz der öffentlichen Gesundheit auf weniger einschneidende Weise als durch das Verbot eines gewerblichen Versandhandels erreicht werden kann. Zwar ist der Kammer bewußt, daß das deutsche Verbot des Versandhandels mit Arzneimitteln via Internet möglicherweise nicht für alle Zukunft aufrechterhalten werden kann. ... Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist das gewerbliche Versandhandelsverbot noch erforderlich. Ein Verstoß gegen den EG-Verrag liegt damit nicht vor.

bb) Die im Hinblick auf die Ausnahmevorschrift im AMG vorgenommene Auslegung dahingehend, daß diese Vorschrift den gewerblichen Versandhandel ausschließt, verletzt auch nicht die Vorschriften der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (E-Commerce-RL), die das sogenannte Herkunftslandprinzip statuiert. Ein Verstoß gegen diese Richtlinie kommt vorliegend schon deshalb nicht in Betracht, weil das Verbot des grenzüberschreitenden gewerblichen Versandhandels mit Medikamenten nicht in den koordinierten Bereich, wie er in der Richtlinie im einzelnen definiert ist, fällt. Danach fallen nationale Anforderungen betreffend die Lieferung von Waren nicht in den von der Richtlinie koordinierten Bereich. Hiermit wird klargestellt, daß die Richtlinie nur solche Tätigkeiten betrifft, die tatsächlich elektronisch ausgeübt werden. Dies trifft vorliegend auf den Abschluß des Kaufvertrages über die Arzneimittel via Internet zu, nicht aber auf die Lieferung der Präparate im Wege des Versandes. Dies ergibt sich eindeutig auch aus der Begründung zur Richtlinie. Dort ist ausdrücklich erwähnt, daß die Anforderungen bezüglich der Lieferung von Humanarzneimitteln nicht in den koordinierten Bereich fallen sollen.


Die Versandhandelstätigkeit der Beklagten verletzt außerdem die Vorschriften des HWG.

Der Geltungsbereich des HWG ist die Bundesrepublik Deutschland, wobei es entscheidend auf die Zielrichtung der Werbung ankommt. Immer dann, wenn die ausländischen Werbeträger auch in Deutschland erhältlich sind und die beanstandete Werbung auch auf den deutschen Markt abzielt, greifen die Regelungen des HWG ein. Daß die Internetapotheke der Beklagten auf ihren deutschsprachigen Internetseiten gezielt den deutschen Endverbraucher anspricht und diesen zum Bezug ihrer Medikamente bewegen will, wurde zuvor bereits ausgeführt.

Nach HWG ist es unzulässig, für den Bezug von zulassungspflichtigen Arzneimitteln im Wege der Einzeleinfuhr im Sinne der Ausnahmevorschrift des AMG zu werben. ... Unter Werbung für Arzneimittel sind alle Maßnahmen zur Information, Marktuntersuchung und Schaffung von Anreizen zu verstehen, mit dem Ziel, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern. Soweit die Beklagte auf ihrer Homepage nicht nur allgemeine Image- oder Unternehmenswerbung betreibt, die von den Vorschriften der Richtlinie und des HWG nicht umfaßt ist, sondern auf dem Bestellformular ihrer Internetseiten Arzneimittel, nach Indikationsgruppen unterteilt, mit Preisangabe und Produktbeschreibung anbietet, liegt Werbung im Sinn der Richtlinie vor. Der Bezug der Medikamente in einer dem üblichen persönlichen Bedarf entsprechenden Menge wird dem Kunden in Form des Versandes per Post oder Boten von den Niederlanden nach Deutschland angeboten, so daß ganz gezielt auch für die Einzeleinfuhr geworben wird.

Zu berücksichtigen ist allerdings, daß die digitale Präsentationsform des Angebots der Beklagten in Form einer Bestellung mit der Bezeichnung, dem Preis und einer kurzen Produktinformation über die Arzneimittel für den Internet-Arzneimittelhandel unverzichtbar ist, denn ohne die Abbildung von Online-Bestellformularen könnte ein solcher faktisch nicht durchgeführt werden. Von Beklagtenseite wird daher eine einschränkende Auslegung des Werbebegriffes dahingehend verlangt, daß die für den Geschäftsabschluß notwendigen Präsentationsformen, die conditio sine qua non für die Transaktion Internet-Handel sind, vom Werbebegriff auszunehmen sind. Andernfalls seien die Vorschriften nicht mit den europarechtlichen Vorgaben vereinbar.

Nach Ansicht der Kammer besteht indes keine Notwendigkeit für eine derart einschränkende Auslegung des Werbebegriffs. Vielmehr ist das Werbeverbot des HWG, das auch die Internetbestellformulare der Beklagten erfaßt und deren Internethandel (soweit die deutschen Abnehmer betroffen sind) damit unmöglich macht, mit dem Europarecht vereinbar.


Ein Verstoß gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs gemäß EGV kann hierin nicht gesehen werden. Eine etwaige Behinderung des freien Warenverkehrs wäre zum Schutz der Gesundheit von Menschen gerechtfertigt.

Sinn des Werbeverbotes im HWG ist es, den Ausnahmecharakter der Einzeleinfuhr nicht zugelassener Arzneimittel zu wahren, um zu verhindern, daß das grundsätzliche Erfordernis einer nationalen Zulassung nach den deutschen Rechtsvorschriften systematisch umgangen wird. Wenn in Deutschland für dort nicht zugelassene Arzneimittel geworben werden dürfte, bestünde die Gefahr, daß die Hersteller die Zulassung der Arzneimittel in einem Mitgliedsstaat, der geringere Anforderungen stellt, beantragen und sie dann aufgrund von Einzelbestellungen, die sie durch Werbeaktionen ausgelöst haben, nach Deutschland einführen. Dementsprechend hat der EuGH festgestellt, daß die Mitgliedsstaaten in Ermangelung eines Verfahrens der Gemeinschaftszulassung oder der gesetzlichen Anerkennung der nationalen Zulassungen berechtigt sind, das Inverkehrbringen von Arzneimitteln, die nicht von der zuständigen nationalen Behörde zugelassen sind, in ihrem Gebiet ohne weiteres zu verbieten. Da das Werbeverbot für die Wirksamkeit der nationalen Zulassungsregelung erforderlich ist, ist es nach EG-Vertrag gerechtfertigt.

Diese Grundsätze gelten auch für den vorliegenden Fall, denn die Internetpräsentation der von der Beklagten vertriebenen Arzneimittel umfaßt auch in Deutschland nicht zugelassene Medikamente und soll eine Vielzahl von Kunden gerade auch zum Kauf dieser Präparate anlocken. Damit wäre der Ausnahmecharakter der Einzeleinfuhr nach AMG nicht mehr gewährleistet. Soweit der Beklagten durch das Werbeverbot der Internetversandhandel faktisch unmöglich gemacht wird, wurde bereits zuvor ausgeführt, warum sogar ein Verbot des gewerblichen Versandhandels mit dem EG-Vertrag vereinbar ist.


Eine einschränkende Auslegung des Werbebegriffs des HWG gebieten auch nicht die Regelungen der E-Commerce-Richtlinie. In ihr wird das sogenannte Herkunftslandprinzip statuiert und ist vorgeschrieben, daß die Mitgliedsstaaten den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedsstaat nicht aus Gründen einschränken dürfen, die in den koordinierten Bereich der Richtlinie fallen. Die Anwendung dieses Prinzips auf das Werbeverbot des HWG würde bedeuten, daß das Werbeverbot dem Internetangebot der Beklagten nicht entgegengehalten werden könnte, obwohl sich die Werbung gezielt an deutsche Verbraucher richtet.

Das Werbeverbot ist jedoch durch die Richtlinie gerechtfertigt. Sie ergänzt das auf die Dienste der Informationsgesellschaft anwendbare Gemeinschaftsrecht und läßt dabei das Schutzniveau insbesondere für die öffentliche Gesundheit und den Verbraucherschutz, wie es sich aus Gemeinschaftsrechtsakten und einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zu deren Umsetzung ergibt, unberührt, soweit die Freiheit, Dienste der Informationsgesellschaft anzubieten, dadurch nicht eingeschränkt wird. In diesem Zusammenhang ist nunmehr die zuvor erwähnte Richtlinie über die Werbung von Humanarzneimitteln von Bedeutung. Danach untersagen die Mitgliedsstaaten die Werbung für ein Arzneimittel, für dessen Inverkehrbringen keine Genehmigung nach den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft erteilt worden ist. Da auch heute noch ein großer Teil der Zulassungen von Arzneimitteln über innerstaatliche Vorschriften erfolgt und zudem die Kriterien über die nationale Zulassungserteilung noch nicht vollständig harmonisiert worden sind, ist das HWG als Rechtsstand der Europäischen Gemeinschaft i.S.d. E-Commerce-RL anzuerkennen. Da die Beklagte argumentiert, die Anwendung des HWG führe dazu, daß ihr der Versandhandel mit Arzneimitteln via Internet unmöglich gemacht wird, ist auch die bereits in deutsches Recht umgesetzte, sogenannte Fernabsatzrichtlinie zu beachten, die den Mitgliedsstaaten ausdrücklich erlaubt, im Interesse der Allgemeinheit den Vertrieb im Fernabsatz für bestimmte Waren und Dienstleistungen insbesondere Arzneimittel in ihrem Hoheitsgebiet unter Beachtung des EG-Vertrages zu verbieten. Durch die ausdrückliche Benennung der Arzneimittel in dieser Regelung hat der europäische Gesetzgeber die vorhandenen nationalen Verbote des Versandhandels mit Arzneimitteln als Teil des gemeinschaftsrechtlichen Schutzniveaus anerkannt. Zwar verbietet das HWG nicht den Versandhandel für Arzneimittel; durch das Verbot der Werbung für den grenzüberschreitenden Versand von Arzneimitteln soll jedoch diese Art der Bezugsform von Arzneimitteln als Ausnahmetatbestand beibehalten werden. Wenn die Fernabsatzrichtlinie es den Mitgliedsstaaten schon erlaubt, den gewerblichen Versandhandel mit Arzneimitteln zu verbieten, so erlaubt es die Vorschrift erst Recht, die Werbung für einen derartigen Versandhandel zu verbieten.

Die Beklagte verletzt durch ihre Versandhandelstätigkeit auch eine weitere Regelung des HWG, weil sie im Internet für den Versand von apothekenpflichtigen Arzneimitteln wirbt.

Da die Beklagte zudem auch für den Bezug von in Deutschland nicht zugelassenen und auch für den Bezug von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln bei Privatverbrauchern wirbt, verstößt sie mit dem Betrieb ihrer Internetapotheke zusätzlich gegen weitere Bestimmungen des HWG.


Berufung
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die unterlegene Beklagte kann innerhalb von einem Monat nach dessen Zustellung Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main einlegen.
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